Klaras Lebenswelten - Die Geschichte von der Handlungsunfähigkeit & Hoffnungslosigkeit, von Vergangenheit & Jetzt

Die Hoffnung ist der Regenbogen über den herabstürzenden jähen Bach des Lebens, ....

Ich war 22 Jahre alt, als der Bach des Lebens,  jäh über mich herunter stürzte. In der Nacht vom 24. Februar vereinten sich Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit zu einem schweren Bündel der Last auf meinen Schultern und raubte mir den Lebenswillen.

 

In dieser Nacht starb mein Kind. Ich hatte es auf dem Arm. Ich schrie um Hilfe, in die dunkle Nacht. Ich wusste, es war vorbei. Für immer vorbei. Hilflos stand ich am Fenster und schrie. Hilfe nahte schnell, doch meine Hoffnung hatte ich in die Nacht verloren. Ich wusste mein Kind war tot. Jede Hilfe würde zu spät kommen. Ich stand da und schrie "Hilfe, mein Kind stirbt. Hilfe, mein Kind ist tot. .... 

Der Notarzt kam. Er schaute mich an und sprach: "Wir konnten nichts mehr tun". ...

Mein Engel auf einem Stern

Ich starb innerlich und schrie still diesen Gott an. WARUM? Warum mein Kind? Warum hast du nicht mich geholt? Ein unglaublicher Schmerz betäubte all meine Sinne. Ich war so furchtbar Hilflos. Ich konnte nichts tun. Ich konnte sie nicht zurück ins Leben holen. Sie war tot!

 

Es brach wie ein tosender Bach, mit Hochwasser, über mich herein. Ich wollte sterben. Ich wollte zu meinem Kind. Nein, dieses Leben wollte ich nicht mehr. Hilflos und ausgeliefert in dieser Hölle des Lebens. In Angst davor, was passieren würde, wenn er nach Hause kommt. Aber vielleicht schlug er mich ja endlich tot, dann wäre alles vorbei. Ich könnte neben meinem Kind auf dem Stern sitzen und von ober herab schauen, auf diese beschissene Welt. Hilflos und Hoffnungslos saß ich da, mit meiner toten Tochter im Arm und meinem ungeborenem Sohn im Bauch. Ich verfluchte mein Leben, gab mir die Schuld. Warum hatte ich nur hilflos rumgeschrien und nichts getan. Nein, die Worte des Notarztes "Sie konnten nichts tun", halfen mir nicht.

 

Irgendwann später, stand ich auf den Bahngleisen. Ich suchte den Zug, der mich zu meiner Tochter bringen sollte. Im diffusen Licht der Gleisanlagen, irrte ich herum, ein Zug kam jedoch nicht. Mein ungeborener Sohn strampelte im Bauch wie wild. Er wollte nicht sterben. Er wollte, dass seine Mutter zurück ging ins Leben. Er holte mich zurück in das Leben. Ich wollte mein Kind nicht töten. Also musste ich leben. Irgendwie.

  

Wenig später war die Beerdigung. Ich war dabei und doch nicht dort. Hilflos starrte ich auf den Karren mit einem Sarg. Nein, dass konnte nicht sein. "Hallo, Trauer-Gemeinschaft ...", riss mich vorwärts. Am Grab suchte ich den Sarg meiner Tochter. Hilflos mit den Augen suchend. Wo war er? Niemand war an meiner Seite. Niemand hielt mich in meiner Not. Der Sarg war schon in das Loch gelassen. Einfach so. Ich hörte nicht was der Grabredner sprach. Ich stand nur da und schaute in das Loch. In dieses Loch, wo unten der Sarg meiner Tochter lag. In mir schrie alles gen Himmel. Warum? Warum hast du nicht mich genommen?

  

"Kommst du bald?", beendetet mein inneres Schreien. Nein, ich wollte nicht kommen, ich wollte lieber sterben. Doch in mir war noch ein Kind. Ein Kind das seine Mutter brauchte. Egal wie schlimm gerade meine Hölle war. Ich musste weiterleben. Ich würde bald meine Sohn das Leben schenken. 

Hilflos & Hoffnungslos

Hilflosigkeit ist ein furchtbares Gefühl, das Wut, Schmerz, Verlust, Angst, Hoffnungslosigkeit, Selbstverletzung, Selbstabwertung und die Dunkelheit des Lebens vereint. Sie lähmt mein Denken. Sie lähmt meine Gefühle. Sie nimmt mir die Lebensfreude. Sie nimmt mir das Licht im Leben. Ich bin ein Zombie meiner selbst. Das Leben zieht teilnahmslos an mir vorbei. Ich bin in meiner Hilflosigkeit gefangen. Hoffnungslos gefangen und müde vom Leben. Ich hatte es nicht verdient zu leben, mein Kind war tot. Hilflosigkeit schmerzt im Herzen und in der Seele. Sie lässt mich nicht mehr funktionieren oder agieren. Sie lähmt alle Sinne und jede Lebenserhaltung. Jeder Schritt ist schwer, jedes Denken eine Last, ich rauche in Massen, ich kann nicht essen, ich kann nicht trinken, mein Magen behält nichts bei sich und ich bin unendlich müde. Müde vom Leben. Ich brauche Hilfe zum überleben.  

 

Damals überlebte ich, dank meines Sohnes. Er wurde im Mai geboren. Er war mein neues Glück. Ein Jahr später fand ich aus der Hölle meines Lebens heraus.

Das Gefühl der Hilflosigkeit aber, hat sich mir fest eingeprägt und begleitet mich bis heute.. Es kommt aus der Vergangenheit in mein Jetzt. Ohne mich zu fragen. Ohne, dass ich es wirklich verhindern kann. Es gehört in die Vergangenheit. Heute entspricht es NICHT der Wahrheit. 

Heute & Hilflos

Heute traf mich dieses Gefühl der Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit mit aller Wucht. Wieder brach der Hochwasser gefüllte Bach über mich herab. Mit aller Wucht nahm er mir die Handlungsfähigkeit und schickte mir all seine Angst und Hoffnungslosigkeit. Es war die Zeit der Prostata-Diagnostik und insbesondere die Zeit der Prostata-Operation. Ich konnte nicht essen, nicht trinken, mein Magen behielt nichts bei sich. Ich war unendlich müde, konnte aber nicht schlafen. Nein, auch Beruhigungsmedikamente halfen nicht. Ich war allein. Niemand war da, der mir zur Seite stand, der für mich da war.

Ich brauchte Hilfe zum überleben.

 

Ich bekam Hilfe von unglaublich wundervollen Nachbarn.

Ich selbst schaffte es, die Angst zu zähmen und meinen Suizid-Gedanken zu widerstehen.

Ich war nicht Hilflos. Es war "nur" das Gefühl, was sich wiederholte.

 

Heute weiß ich, ich habe Unglaubliches für mich selbst getan. Ich habe es geschafft zu überleben. Ich habe für mich Verantwortung übernommen. Mich Not-versorgt und mich konfrontiert. So konnte ich selbst erleben, dass es immer ein Licht gibt, in der Dunkelheit. Das Operation nicht Tod heißt, sondern Leben.

Ich habe hart mit dem Gefühl der Hilflosigkeit gekämpft und es doch geschafft in die Klinik zu fahren, meinen Mann im Intensiv-Zimmer anzuschauen und zu sehen, dass er lebt und leben wird. Ich konnte, bei meinem 2. Besuch in der Klinik eine schöne Stunde, in der Sonne, mit ihm erleben. Ich konnte erleben, wie es ist, wenn die Nachricht kommt "sie werden als geheilt entlassen".

 

Es war als wenn die Sonne durch die tief schwarzen Wolken scheint und am Horizont den Regenbogen in bunten Farben zaubert. In all meiner Gefühlswelt aus dem DAMALS, war ich doch in der Lage, für mich wichtige Dinge, selbst zu tun. Ich habe erlebt, dass ich nicht hilflos, wie damals, bin. Ich habe erlebt, dass jemand für mich da war, mir beistand und mit mir fühlte. 

 

Ich habe Kraft und Zuversicht getankt, bei einer nächsten, ähnlichen Situation, nicht genau so tief zu fallen. Mein Herz und meine Seele haben erlebt, das Krank nicht gleich Tod ist. Ich selbst habe es geschafft. Ich hatte Hilfe. Ich habe um Hilfe gebeten. Ich habe Hilfe angenommen.. Ich selbst habe es geschafft.

Dafür bin ich mir selbst und meinen Helfer dankbar.

"Da scheint doch mitten im Regen die Sonne, wie herrlich, wie schön und lässt am anderen Ende den Regenbogen erstehn, ...."


Foto by André Zarnke

Zitate: Friedrich Nietzsche (Überschrift) & Otto Reinhards (Schluss)

Geschichte by Klara Regenbogen