Mein 1. Buch: LebensUmwege - Ich habe überlebt

Vorwort:

Diese Geschichten sind nicht erfunden. Diese Geschichten schrieb das Leben. Mein Leben.

Ich weiß noch nicht, ob diese Buch jemals geschrieben wird, jemals ein Ende findet. Ich habe angefangen. Angefangen zurück zu schauen, auf mein Leben. Wo her bin ich gekommen, wohin bin ich gegangen. Ich schaue zurück, weil ich weiß ich bin wie ich bin, weil ich all diese Geschichten erlebt habe. Niemand der nicht in meine Schuhen gegangen ist, kann mich verurteilen. Ich habe versucht zu leben, zu überleben. Viele Jahrzehnte lebte ich, um es anderen Recht zu machen, um meinen Eltern eine gute Tochter zu sein, um meinen Kindern eine gute Mutter zu sein. Ich wollte es anders machen. Ich wollte es besser machen. Und doch ging ich in ausgelatschten vorgegebenen Spuren. Ich fiel hin, stand wieder auf, fiel wieder hin... Ich habe gelebt mit aller Kraft meines Seins, gekämpft für meine Kinder und mich, verloren und gewonnen.

Heute bin ich fast 60 Jahre alt und schaue für mich zurück. Ich möchte mir sehr bewusst machen, was ich im Leben geschafft habe, mit all meinen Fehlern, mit all meiner Liebe, mit all meinen Emotionen, mit all meinen Wegen und Umwegen.

 

Jeg er unik - Ich bin einzigartig, eure Klara Regenbogen.


LebensUmwege - Meine erste Liebe

Meine erste Liebe

1. Kapitel - Ich war gerade 13 Jahr

1978 schrieb Brukhard Lasch, der Manager der Gruppe "Elefant", den Song "Jugendliebe. Ute Freudenberg, damals Sängerin der Band, singt diesen Song noch heute. Diese Lied gehörte für mich immer zu meiner ersten Liebe. Es war als hätte man dieses Lied aus meinen Gedanken heraus aufgeschrieben. Erst heute bei meinen Recherchen fand ich heraus, dass es produziert wurde, als meine Jugendliebe schon drei Jahre Geschichte war. Und doch ist mein Song der Jugendliebe.

 

Ich war 13 Jahre als es begann, zum ersten Mal begann.

Damals ging ich in die 8. Klasse. Nein, mein Interesse einen Freund zu haben, war damals noch nicht sehr ausgeprägt. Die Jungs der 10. Klassen waren für mich noch weit weg. Es gab einen Jungenklicke, in der alle eine Freundin hatten. Die Mädels gingen alle in meine Klasse. Nur einer der Jungen hatte noch keine Freundin, traute sich wohl nicht so wirklich ein Mädchen zu fragen: "Willst du mit mir gehen?". So wurden wir verkuppelt.

Eines der Mädchen aus meiner Klasse, fragte mich irgendwann, wie ich denn den Peter aus der 10 Klasse fände. Sie sagte mir, dass er mit mir gehen wollte. Wenn ich wollte, könnte ich ihn nachmittags treffen. Ich ging zu diesem Treffen. Ich glaube wir standen uns beide ziemlich planlos gegenüber. Doch da war etwas, was uns sagte, wir gehören zusammen. Von nun an trafen wir uns regelmäßig. Ich erfand zu Hause Ausreden. Ich konnte nicht darauf vertrauen, dass mir meine Eltern erlaubten, mich mit einem Jungen zu treffen.

 

Oft saßen wir, gemeinsam mit den anderen 3 Pärchen, in einer Gartenlaube zusammen. Ich kann mich nicht erinnern, dass dort jemals etwas aufregendes passiert ist. Wir saßen zusammen, hörten Westmusik, tranken Cola und unterhielten uns. Ich war immer die Erste die nach Hause musste, da ich nur bis 21:00 Uhr Ausgang bekam. Peter brachte mich stets nach Hause. Wir liefen neben einander, hatten uns bei den Händen gefasst und er küsste mich, vor dem Abschied.

Natürlich versuchte ich auch länger ausgehen zu dürfen, doch mein Vater war unerbittlich. Es war mir peinlich, so früh nach Hause zu müssen. Die drei anderen Mädels konnten nach Hause gehen, wie sie wollten, auch wenn sie nicht älter waren als ich. So wiederholte sich am Wochenende immer das gleiche Spiel, um 21:00 war meine Zeit mit Peter abgelaufen. 

 

Am schönsten waren für mich jedoch die Treffen mit Peter, die wir nicht mit den anderen verbrachten. Damit wir möglichst von niemandem gesehen wurden, liefen wir am Rand der Stadt zum "Galgenhügel". Dort saßen wir zusammen, eng aneinander. Er sah mich an, streichelte mein Haar und küsste mich. Für mich war es traumhaft schön. Da war jemand der mich mochte, genau so wie ich war. Ausgerechnet mich hatte er für sich erwählt. Für ihn war ich hübsch und liebenswert. Stunden verbrachten wir dort. Wir brauchten nicht viele Worte, nur uns. Darüber wurde es Frühsommer.

 

Ein Einbrecher war im Haus

In einer Nacht war ein Unbekannter in unserem Haus. Er hatte Spuren hinterlassen. Besonders viele Spuren in der oberen Etage unseres Hauses. Dort befanden sich unsere Kinderzimmer, welche sich immer zwei Geschwister teilten. Darüber hinaus hatte der Vermieter sein Schlafzimmer hier oben. An der Wand zwischen seinem und unseren Zimmern waren schwarze Spuren. Jemand hatte sich dort wohl abgestützt oder die Tür, im Dunkeln gesucht. Hatte dann wohl aufgegeben und war wieder verschwunden.

Der Vermieter war total ungehalten und sprach mit meinen Eltern. Er glaubte, dass der Einbrecher mein Zimmer gesucht hatte. Auf die Idee, dass er vielleicht gemeint war, kam er nicht. "Ihre Tochter hat einen Freund, der war es!" 

 

Ungehalten wurde ich zu meinen Eltern zitiert. Noch ahnte ich nichts davon, dass meine Freundschaft zu Peter kein Geheimnis mehr war. Mein Vater herrschte mich sofort an. "Du hast einen Freund, mit dem du dich rumtreibst? Wie lange geht das schon? Du brauchst gar nicht anfangen zu lügen, der Vermieter hat uns gesagt, dass du dich mit einem Kerl triffst!...". Bevor ich überhaupt antworten konnte, hörte ich "dein Freund war heute Nacht hier! Er war bei euch oben und hat aber die Tür nicht gefunden! So weit ist es schon, dass dir ein Kerl hinter her steigt!" ... 

 

Ich war geschockt. Klares denken war, glaube ich, gerade nicht meine Stärke. Doch eines konnte ich mir nicht vorstellen, dass Peter in der Nacht mein Zimmer suchen würde. Er wusste doch, dass ich das Zimmer mit meiner Schwester teilte. Vor mal wir ja beide die Öffentlichkeit scheuten. Was sollte er also hier wollen? 

Ich gab zu, einen Freund zu haben. "Peter war es nicht", versuchte ich mich zu wehren. Jetzt brach ein Gewittersturm über mir aus. Nein, es hatte für mich keinen Sinn. Ich konnte mich gegen meinen Vater nicht erwehren. Es war klar, ich hatte einen Freund und der war eingebrochen. Ich musste meinen Eltern den Namen und die Adresse sagen. Er wurde zu uns bestellt.

Ich war vollkommen durcheinander. Nein, dass konnte nicht sein. Nein, Peter würde sowas nicht tun. Oder doch? Was wenn er es doch getan hatte? Konnte ich sicher sein, dass er es nicht wahr? Hatten meine Eltern recht? Irgendwann war ich geneigt, meinen Eltern zu glauben. Sie hatten ja immer recht.

 

Noch heute sehe ich mich auf den Treppenstufen, vor unserem Haus, sitzen. Peter würde gleich kommen. Es war so peinlich was meine Eltern hier abzogen. Ich schämte mich Abgrund-tief. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich war nicht stark genug, mich gegen meinen Vater zu stellen. Ich war nicht stark genug, an meine Liebe zu glauben. Ich saß da und wartete.

Als Peter kam, schaute ich ihn an. Mehr nicht. Wir hatten gerade beide verloren. Ich war zu feige, mit ihm zu meinen Eltern zu gehen. Ich blieb auf den Treppenstufen sitzen und er stellte sich meinen Eltern. Als er drinnen war, wusste ich, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Ich wusste, er war nicht bei uns eingebrochen. Er war es nicht und ich hatte an ihm gezweifelt.

Bis heute weiß ich nicht was in diesem Gespräch gesagt wurde. Unendliche Minuten später kam Peter wieder heraus. Nein, dieses mal konnte ich ihn nicht anschauen. Ich saß mit gesenktem Blick auf der Treppe. Er ging an mir vorbei. Wortlos. Unsere Liebe war beendet. Wir sahen uns über ein Jahr lang nicht mehr.

 

Es wurde nie geklärt wer in dieser Nacht im Haus war und warum. "Wer weiß wer da im Haus gewesen ist. Vielleicht einer der den Vermieter nicht leiden konnte", hörte ich Wochen später. Das war alles zum dem Thema. Keine Entschuldigung ihrerseits, kein Fehler eingestehen, nichts. Auch mit Peter noch einmal das Gespräch zu suchen, sich zu entschuldigen kam ihnen nicht in den Sinn. Das war egal. Er war ja eh nur ein dummer Junge, der mit mir befreundet war. unsere Beziehung war kaputt. Egal. Das Thema war beendet. Einfach so. 

Das Leben ging weiter.

 

2. Kapitel - Zwischenspiel

Was blieb, war meine Trauer um diese Liebe. Was blieb war dieses Gefühl, als mein Vater mit seinen harten und beschmutzenden Worten über mich gesprochen hatte. Diese Gefühl von Scham, Einsamkeit und Hilflosigkeit. Ich fühlte mich verlassen und wusste nicht wohin mit meiner Wut. Die Wut würde nichts bringen. Mein Vater hatte ja je den längeren Arm. Nein, ich hatte mich keinem Kerl an den Hals geschmissen! Nein, ich hatte Peter geliebt und er liebte mich! Mein Vater hatte diese Liebe beschmutzt und zerstört.

 

Ich war nun 14 Jahre und damit alt genug zur "Jugenddisco" zu gehen. Jeden Sonntag ging ich dort hin. Wohl, habe ich mich dort nie gefühlt. Ich war zu groß, zu dick und hässlich. Ich schämte mich meiner Narben auf der Stirn. Nein, ich war keine Discoqueen. Die meiste Zeit verbrachte ich damit, rumzusitzen und an meiner Cola zu nippen. 

Nun versteckte ich mich nicht mehr, wenn ich mit einem Jungen unterwegs war. Es war selten und auch nie von Bedeutung für mich. Es ist nichts in meinen Erinnerungen verblieben. Meine Liebe war Peter. Noch immer. Doch er war unerreichbar für mich.

 

Meine Ausgangzeit war immer noch auf 21:00 Uhr beschränkt. Natürlich kam es vor, dass ich nicht pünktlich zu Hause war. Mal waren es 10 Minuten, mal eine halbe Stunde. Die Reaktion war immer die Gleiche. Ein Hagel von Drohungen, Abwertungen und Stubenarrest. Es war mir egal. Abends wenn ich im Bett lag, sehnte ich mich weit fort. Gab es nicht irgendwo einen Ort wo ich hin konnte, ohne meinen Vater, ohne meine Geschwister. Nur ich. Ich sehnte mich nach einem Ort wo man mich liebte, wo ich nicht alles falsch machte, wo ich gut genug war. Ich sehnte mich nach den Stunden auf dem Galgenberg, mit Peter.

 

3. Kapitel - Zeit die unvergessen blieb...

Im Herbst des folgenden Jahres traf ich Peter wieder. Ich war in der Stadt unterwegs, einkaufen. Ich ging die Ladenstraße hinunter und da sah ich ihn. Da kam wirklich Peter mir entgegen. Kein ausweichen, kein Blick senken. Wir gingen auf einander zu. Dann standen wir uns gegenüber. Mein Herz klopfte bis zum Hals. Wir schauten uns an, lange. Wo willst du hin? Kann ich mitkommen? Unglaublich, er hatte mir verziehen und unsere Liebe war noch da. Gemeinsam tätigten wir die letzten Besorgungen und gingen dann nach Hause. Er trug meine schweren Beutel hinauf bis in die Küche. Völlig normal, als wäre überhaupt nichts geschehen. Nachdem wir uns verabredet hatten, ging er. "Das du mit dem noch mal ankommst, habe ich erwartet"; sagte meine Mutter zu mir. Noch heute höre ich diesen Satz. Ich weiß bis heute nicht, warum sie ihn nicht mochte. Damals war es mir egal. 

 

Meine Eltern akzeptierten, dass wir wieder zusammen waren. Es blieb aber dabei, dass sie ihn nicht mochten. Wir waren nun nicht mehr zu trennen. Vor erst. Nun war unser Liebe offen, jeder sollte es sehen. Auch seine Eltern akzeptierten unsere Beziehung. Wir gingen ein und aus. Ich verstand sehr bald, dass er in seiner Familie genau so wie ich, verloren war. Sein Halt war sein älterer Bruder. Sie waren die Stiefkinder vom Vater und genau so wurden sie behandelt. Ich erlebte seinen Vater, im gegenüber, stets streng und unerbittlich. Seine Mutter duckte sich ab. Seine Halbgeschwister (Bruder und kleine Schwester) waren die Kinder, um die sich alles drehte. Wir Kinder untereinander kamen wunderbar miteinander aus. Seine kleine Schwester hing an mir und freute sich, wenn sie mit uns durfte oder ich da war und wir gemeinsam spielten. Vor seinem Vater hatte ich Angst. 

Wir trafen uns nun jedes Wochenende. Peter war in der Ausbildung und nur am Wochenende zu Hause. Wir verbrachten viel Zeit miteinander. Die Monate vergingen, ich wurde 16 Jahre alt und bald würde ich die Schule abschließen. Da wir nicht wussten wohin, es keine Räume gab wo wir ungestört waren, saßen wir abends oft unten im Haus, an der warmen Heizung. Dort küssten wir uns, streichelten uns und da auch mehr, für ihn. Nein an Sex war dort nicht zu denken. Wir konnten stets zu jeder Zeit von meinem Vater gestört werden, der abends immer von der Arbeit nach Haus kam oder von sonst irgendwelchen Besuchern. So verging auch der Winter und wieder kam ein Frühling.

 

4. Kapitel - Das Ende meiner 1. großen Liebe

Ich hatte Sturm-freie Bude. Es war niemand zu Hause, für ein paar Tage. Natürlich trafen wir uns in der Wohnung. Vielleicht würde ich ja heute zum ersten mal mit ihm schlafen? Es war eine Mischung aus Angst und Neugier, die da in mir war.  Ja, ich war bereit für ihn. Doch es kam alles ganz anders. Irgendwann waren wir nackt. Er schaute mich an. Ich schaute ihn an, ohne Scheu. Nackt sein war etwas völlig normales und hieß noch gar nichts. Ich weiß nicht, was an diesem Abend passierte. Nein, wir hatten keinen Sex. Meine Erinnerungen geben aber das Ende dieses Abends nicht her. Doch irgendwas zerbrach. Am nächsten Tag, sagte er mir, dass Schluss sei. Nicht warum, nicht weshalb, Schluss und Punkt. Es war das Ende meiner ersten großen Liebe, nach fast einem Jahr Gemeinsamkeit. Einfach so. 

 

Ich verlor meinen Halt. Ich tingelte rum, traf mich mit diesem und jenem Jungen. Ich hing in den Seilen. Ich küsste andere und versuchte Peter zu vergessen. Doch abends im Bett, suchte ich Antworten. Ich fand sie nie. Meinem Vater wurde es zu bunt. "Schmeißt du dich jetzt jedem Kerl an den Hals..., kannst du nicht genug bekommen..., du benimmst dich wie eine Hure...". Er hatte kein Verständnis für mich. Meine Eltern fragten nicht wie es mir geht. Es war ihnen wichtig, was die Leute erzählten. Mir war es egal. Ich kannte meine Grenzen und ich hielt sie für mich ein. Meine Eltern achteten nur darauf, dass ich funktionierte. So vergingen Wochen.

 

"Peter ist aus dem Fenster gesprungen"; sagte mir sein kleiner Bruder. Wenig später saß ich in der Küche bei seinem kleinen Bruder, der kleinen Schwester und der Mutter. Ich weinte und fragte, wie es dazu gekommen war. Die Antwort war vage. "Er ist in sein Zimmer gegangen, das Fenster stand offen, dann lag er da unten auf dem Sperrmüllhaufen". "Er lebt und liegt im Krankenhaus". Ich war so froh, er lebte und er würde wieder ganz gesund werden. Peter hatte Glück gehabt. Aber warum nur, hatte er versucht sich das Leben zu nehmen? Warum? Natürlich erzählte ich es auch meinen Eltern. Sie hatten dazu keine Meinung und nein, sie fragten auch nicht wie es mir damit ging. Es war passiert. Punkt. Ende.

 

Als Peter aus dem Krankenhaus heraus war, begegneten wir uns irgendwann. Ich war nicht zu ihm gegangen. Ich hatte ihn nicht im Krankenhaus besucht. Es war ja Schluss und ich wusste nicht ob er mich sehen wollte. Jetzt kam er auf mich zu. Ich sah Wut in seinen Augen. "Komm nicht mehr zu uns! Mit uns hatte es nichts zu tun. Ich will dich nie wieder sehen!".

Alles in mir lief Amok. Was war hier los? Ich hatte mir doch nur unendlich Sorgen um ihn gemacht? Warum hasste er mich so? Alle meine Fragen blieben unbeantwortet.

 

Die Prüfungen standen unmittelbar bevor. Ich glaube ich verdanke meinem Lehrer, der ein Onkel von Peter war, dass ich einfache mündliche Prüfungsfächer bekam, Russisch und Musik. Wohl auch in Vorbereitung auf meine Ausbildung, in der diese Fächer von Bedeutung waren. Ich hing in den Seilen, doch ich musste diese Prüfungen schaffen. Ich wollte diesen Beruf erlernen. Also musste ich pauken. Ich schaffte die Prüfungen und ich erlernte meinen Traumberuf, - Kindergärtnerin.

 

5. Kapitel - Jahrzehnte später.

Es war der letzte Besuch bei meiner Mutter 2015. 

Wir saßen beisammen und erzählten von Erinnerungen. Ich fragte, ob sie etwas wüsste von diesem oder jenem aus meiner Jugendzeit. Peter, hast du etwas von ihm erfahren? Wie viele Kinder hat nun seine Schwester inzwischen? "Ja, die Schwester fragt oft nach dir. Naja, die kleinen Kinder haben ja immer an dir gehangen", antwortete meine Mutter völlig emotionslos.

 "Peter lebt in Erfurt und ist verheiratet", fuhr meine Mutter fort. "Ich habe mich damals erkundigt. Ich wollte wissen, ob ich Schuld hatte. Ich habe den Arzt gefragt, den kannte ich ja durch meine Arbeit. Er hat mir erzählt, dass Peter nicht aus dem Fenster gesprungen ist. Er ist wohl besoffen nach Hause gekommen, sich mit seinem Vater gestritten, das Gleichgewicht verloren und ist durch das offen stehende Fenster gefallen."  

 

Meine Gedanken fuhren Achterbahn. Was hörte ich da? Was sagte meine Mutter da gerade? Ich wähnte mich im falschen Film. Ich war sprachlos.

Nein ich glaubte nicht daran, dass Peter besoffen war. Ich glaubte an einem handfesten Streit, mit schrecklichem Ende. Was da wirklich geschah, wissen nur Peter und sein Stiefvater. Das war mir nun, Jahrzehnte später, bewusst. 

Ein paar Tage danach war mein Besuch beendet. 

 

Die Gedanken an das Gespräch, ihre Worte, wie sie die Worte ausgesprochen hatte und ihre Emotionslosigkeit dabei, ließen mich nicht los. Es war etwas zerbrochen. Ich war fassungslos. Ich war enttäuscht. Wer war meine Mutter? Meine Mutter, der ich viele Jahr vertraut hatte, die für mich so manches mal, bei meinem Vater, eingetreten war. Wer war diese kalte Frau? Schon bei anderen Treffen, hatte ich an ihr gezweifelt. Sollte ich mich so getäuscht haben? Sie hatte mich zum wiederholtem mal, tief verletzt. Sie hatte meine Seele verletzt. 

 

Warum war es so unglaublich für sie, dass mich alle Kinder mochten, an mir hangen? War ich es nicht wert? War ich wirklich so ein schlechter Mensch? Diese Stimmlage, als sie die Worte aussprach, brachte ihr Unverständnis darüber, sehr deutlich zum Ausdruck.

Aber der absolute Hammer, waren ihre Aussagen zu Peter. Sie hatte es einfach so, ganz nebenbei erzählt. Es war nichts besonderes. Sie plauderte es einfach so aus. Das machte mich fassungslos.

Meine Mutter hatte ein schlechtes Gewissen, gegenüber Peter. Sie war losgegangen und hatte sich Erkundigungen zum Tathergang eingeholt. Sie hatte all die Jahre gewusst, dass er nicht!!! aus dem Fenster gesprungen war. Sie hatte ihr Gewissen damals sofort erleichtert.

Kein Gedanke daran, was ich glaubte.

Kein Gedanke daran, dass sich vielleicht ihre Tochter verantwortlich fühlte, für den Fenstersturz.

Kein Gedanke daran, mit mir das Gespräch zu suchen.

Kein Gedanke daran, mich zu fragen, wie es mir ging, was ich dachte, was ich wusste.

Kein Gedanken daran, meine Gedanken richtig zu stellen, mich zu entlasten, mir meine Schuldgefühle zu nehmen.

 

Ich war 16 Jahre alt!

 

Jahrzehnte trug ich eine Schuld, die es gar nicht gab. 

Eiseskälte umgab mich. Bis heute spüre ich diese Kälte meiner Mutter. Mir wurde bewusst,  dass ich meine Mutter nicht mehr ertragen konnte und wollte! Es war einfach zu viel. Meine Seele blutete. Ich traf die Entscheidung, sie nie wieder zu sehen. 

 

Jugendliebe, die unvergessen blieb!

 

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Buch-LebensUmwege - Engel und Sternenkind

Die Geschichte von Daniele, Engel und Sternenkind

1. Kapitel - Mein Sternenkind erblickt das Licht der Welt

Am 20. November 1980 sollte mein Glückstag werden. Es war der Tag an dem ich mein erstes Kind zur Welt brachte. Es war der Tag an dem mein Weg in die Hölle begann. Ich war 19 Jahre jung.

 

Ich war glücklich und frohen Mutes, als die ersten Wehen anzeigten, dass mein Wunschkind nun das Licht des Lebens sehen wollte. Mein Mann begleitete mich zur Klinik. Nach der Aufnahme und der diagnostischen Vorbereitung verbrachte ich, zusammen mit weiteren jungen Frauen noch eine Weile im Flur, vor dem Kreißsaal. Eine Stunde später wurde ich in den Kreißsaal gebracht. Ein riesiger Raum mit ca. 5-7 "Gebärstühle" (ähnlich wie die Stühle bei den Frauenärzten), die durch weiße Stofftrennwände Sichtschutz hatten. Alle waren belegt und aus jeder dieser kleinen "Kammern" klang das Jammern und Wehen der Frauen. Ich war schockiert und ich hatte nur noch Angst. Angeschlossen an die Geburtsüberwachungsgeräte, bedeckt mit einer dünnen Decke, lag ich dort und starte die riesige Uhr an, die an der Wand gegenüber hing.

 

In Abständen von ca. 30 Minuten kam ein Arzt und "sein Gefolge" - ca. 5-8 Männer (Studenten, wie ich später erfuhr) in den Kreißsaal, informierte sich bei den Frauen und den Schwestern zum Stand der Dinge und verschwand wieder. Zwei Krankenschwestern (vielleicht auch Hebammen) waren zwischen den Frauen hin und her unterwegs. Wenn eine Geburt begann wurde der Arzt hinzugerufen. Ansonsten waren die Frauen und ich auf sich selbst gestellt. Die Wehen wurden stärker und die Herztöne meines 

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