Klaras Lebenswelten - Die Geschichte vom Jahr 2019 - Leben zwischen Traumaklinik und Prostatakrebs

Die Geschichte vom Jahr 2019

Am Ende des Jahres schaue ich zurück. Das Jahr 2019 ist vorbei und es war ein Jahr der Seelenmomente, mit vielen schönen Erlebnissen, mit hohen Herausforderungen, mit Tränen und ungebändigtem Lachen, mit Angst und gefühlter Hilflosigkeit, mit Herzenswärme und Dankbarkeit, der Diagnose Prostatakrebs und der Geburt eines Enkelkindes, mit Glück und Sorgen.

Nun könnte jemand sagen, na eben wie das Leben so spielt. Stimmt, aber es ist mehr als das, für mich. Die Depression und die PTBS machen das alles, die guten wie die schlechten Zeiten, wesentlich intensiver und auch gefährlich, für mich. Die Prostata-Krebsdiagnose überschattete alles. 

Es ist für mich als wenn es, in diesem Jahr 2019, nur Traumaklinik und Krebs gab. Alles andere ist irgendwohin verschwunden. Doch ich habe das Jahr erlebt und gemeistert. Jetzt kann ich stolz darauf zurück blicken. Das ist nun meine Geschichte, vom Jahr 2019. 

 

Traumaklinik zu Beginn des Jahres

Die Monate Januar und Februar standen ganz im Zeichen meiner Traumatherapie. Ich war in der Klinik und stellte mich der Konfrontation und Lösung eines meiner Traumata. Ich durfte erleben, wie es ist, wenn Tränen den Ballast der Seele reinigen, wie wohltuend es ist zu vertrauen, wie Ruhe und Frieden in die Seele, in meinen Körper strömt. Aber auch wie Wut und Ärger sich ihren Raum nahmen, wie die Angst mir in den Rücken kroch. Ich durfte ganz neue Seiten an und in mir entdecken. Mich besser kennen lernen und beginnen mir selbst zu vertrauen, mir selbst liebevoller zu begegnen. Den Mut und die Kraft aufzubringen, zu meinem Wort, zu meinen Gedanken zu stehen und mich auch zu wehren.

Ich durfte wunderbare Erlebnisse und Erfahrungen machen, die noch heute in mir schwingen. Es war unglaublich, dieses Gefühl der Tränen die meine innere Anspannung zerrinnen ließen. Mich fühlen ließen, wie leicht es in mir sein konnte, obwohl ich ein traumatisches Erlebnis aufarbeitete. Ich hatte die Kraft und den Mut mich diesem zu stellen. Es war danach so ruhig in mir, so unglaublich ruhig. Ich konnte endlich die furchtbaren Bilder der Erinnerung, durch frohe Bilder ersetzen.

Noch heute ist eine Stunde in der katholischen Hofkirche, zu dieser Zeit, in meinem Herzen. Fast eine Stunde hatte ich in der Kirche gesessen, da wo Maria mit dem Kind steht und Gedenkkerzen angezündet werden. Es war so unheimlich still um mich herum und ich konnte ganz leise und ohne jemanden zu stören mit meinem Engel sprechen. Dann begann eine helle Stimme, von irgendwoher zu singen, leise aber unüberhörbar für mich. Es war als wenn die Engel singen würden, nur für mich. Nein so was kann man nicht vergessen. Wahnsinn für mich, bis heute.

Ich durfte viele wunderbare Menschen kennen lernen. Es ist schön, dass sich einige Kontakte bis heute gehalten haben.  

Der Aufenthalt hat mich gestärkt und voller Lebensenergie wurde ich entlassen. Nun sollte ich ohne jegliche Therapie leben. Eine weitere Therapie wurde abgelehnt, was mir bis heute unverständlich ist. Ich hatte keine Wahl und das Leben nahm seinen Lauf. Ich hatte nicht viel Zeit darüber nachzudenken, wie ich ohne Therapie leben sollte, einfach so. Ich sorgte für mich, ging endlich wieder einmal zu Vorsorgeuntersuchungen und wechselte den Hausarzt. Alles gut.

Prostatakrebs-Diagnose überfällt uns ohne Vorwarnung

Wenig später überdeckte eine schreckliche Diagnose alle anderen Erlebnisse und Begebenheiten des Jahres. Die Prostatakrebsdiagnose kam Mitte Mai. Es folgte die Suche nach Behandlungen und dem besten Weg. MRT-Untersuchung in Berlin und MRT-gesteuerte Biopsie in Bielefeld. Entscheidungen die wir nicht bereuten.

Das Erlebnis in der evangelischen Kirche Bielefeld, als die Orgelmusik erklang, nach dem ich meine Wunschkerze angezündet hatte. Gebetet hatte, dass der Prostatakrebs mir nicht meinen Mann nimmt, hat sich nachhaltig eingeprägt. Auch da war ein Engel bei mir, der über mich wachte, mir ein Zeichen sandte, in meiner Not. Die einen nennen es Schicksal, die anderen Glauben und wieder andere Zufall. Mir ist es egal. Es war für mich ein emotional unglaublicher Moment, für Herz und Seele, des inneren Friedens und der Hoffnung, dass alles gut wird.

  

Im Juli war dann klar, dass eine offene Operation unumgänglich war. Diese erfolgte am 4. September. Der Klinik-Entlassungsbefund kam am 9. September und besagte, dass der Krebs vollständig beseitigt werden konnte und kein weiterer Behandlungsbedarf besteht. 

Die Klinik-Woche, die Operation meines Mannes, bestand für mich nur Angst, Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Die Hölle auf Erden. Mutterseelen allein gelassen überstand ich diese Woche, dank meiner unglaublichen Nachbarn. Sie waren für mich da und sorgten für mich, soweit ich es zuließ. So viel Empathie hatte ich schon lange nicht mehr erlebt und ich bin bis heute dankbar dafür.

 

Die ersten Wochen nach der Operation, mit allem was sie mit sich brachten, Pflegedienst, Katheter, Inkontinenz, Spritzen setzen und die Befindlichkeiten meines Mannes, waren nur schwer zu meistern. Gemeinsam haben wir es geschafft. Die 3 wöchige Reha erfolgte im Oktober. Das war ich so voller Lebensenergie. Ich war so froh über jeden Fortschritt in seiner Genesung, so froh über die Lebensfreude die in ihm blühte. Es war so wunderbar, ihn nach drei Wochen wieder in die Arme zu schließen und seine Lebensenergie zu spüren. Doch bis zum 4. Dezember konnte ich es noch nicht wirklich glauben. Der Befund, der Krebs ist besiegt, wurde mit der Nachsorgeuntersuchung bestätigt. Es war wirklich vorbei. All die Last, all die Sorge, all die Höllenangst fielen von mir ab.

  

Da war das Jahr auch schon fast vorbei. Die Prostatakrebsdiagnose hat alle schönen Erlebnisse in den Hintergrund geschoben, die Erinnerungen verblassen lassen. Nur meiner Fotoleidenschaft verdanke ich, dass ich zurückschauen kann, mich erinnern kann., an die vielen schöne Erlebnisse des Jahres. 

Das Jahr 2019 war mehr als Prostatakrebs und Depression

Wir erlebten unbeschwerte Tage im März und April im Urlaub auf Zingst und Rügen. Geblieben ist mir das Gefühl, einer Seelenzeit auf Rügen. Die Insel, mit ihren rauen Stränden, hat mich im Sturm erobert. Meer und Wellen, Strand und Sand unter den Füßen, soweit die Füße tragen, soweit meine Kraft reichte. Die Natur genießen. Das rauschen der Bäume im Wind, die herrliche Melodie der Wellen und die Musik der Kieselsteine in ihrem Wasserspiel. Ausblicke über Land und Meer, Durchblicke vom Wald auf das Meer. Nach Steinen und Muscheln Ausschau halten, Hühnergötter finden und in kleinen Geschäften stöbern. Zeit und Leben genießen. Leben einfach so.

 

Vier Tage im August, in der sächsische Schweiz, über den Geburtstag meines Mannes, wo wir Kraft tankten, für die bevorstehende Operation. Kleine Ausflüge und Wanderungen am Wochenende, zu Orten die wir liebten oder neu erkundeten. Meine Teilnahme an der Lesung von Markus Bock, im April. Wir waren im Gospelkonzert, das herrlich war. Meine Freundin aus Erfurt war ein paar Tage in Dresden. Das Erlebnis im Christmas-Garden Pillnitz, welches uns herrliche Lichtbilder schenkte, im Dezember..

 

Da waren die schönen Tage mit der Familie. Ein langes Mai-Wochenende in Mainz. Unser jüngstes Enkelkind fühlte sich noch wohl im Bauch der Mama. Es war so wunderbar, das Glück der werdenden Eltern zu erleben und beieinander zu sein. Ein Enkelkind erstrahlte zur Jugendweihe in voller Schönheit. Ein Anlass der die gesamte Familie zusammenführte. Das Ereignis des Abi-Balls rundete die Hoch-Ereignisse in der Familie ab. Dann war da noch der 18. Geburtstag, die ersehnte Geburt unseres 6. Enkelkindes im September und die Enkel-Geburtstage im November. Die Potsdamer Enkelkinder waren im November, für ein Wochenende bei uns. Das älteste Enkelkind besuchte uns im Dezember, zum ersten mal, ganz allein. Ein Adventswochenende mit meinem Sohn war herrlich vertraute Zeit, Zeit auch über Erlebtes und Neues auszutauschen, Zeit für einen Bummel durch die Weihnachtsstadt Seiffen. Den Abschluss der Familienzeit 2019 machte dann ein Besuch der jüngsten Tochter mit unserem Enkelsohn.

Das Jahr 2019 hat viel gegeben

Gefühlt, hat das Leben 2019 für mich, nur aus der Krebsdiagnose bestanden. Ich habe keine wesentlichen Erinnerungen was davor und dazwischen noch geschehen ist. Meine Seele hat diese Momente nicht gespeichert. Sie war zu sehr in der Krebsdiagnostik und meiner notwendigen Selbstfürsorge gefangen. Selbst jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, schreit meine Seele laut auf. All die Belastungen, Ängste, meine Kampf zu bestehen, nehmen sich jetzt ihren Raum. Ich bin nur noch antriebslos und müde. Ich kann einfach nicht mehr. All meine Energiereserven, wenn es sie denn gab, sind aufgebraucht. Bis heute, wo ich diese Erinnerungen aufschreibe, kämpfe ich jeden Tag um ein wenig Normalität. Natürlich gab es auch noch Dies und Das bis zum Jahresende. Schönes und Freudiges, doch alles braucht nur Kraft. Kraft, die ich nicht mehr habe. Ich bin einfach nur völlig fertig vom Leben.

 

Das Jahr 2019 hat so viel gegeben. Ich habe so viele Dinge gemeistert und überstanden. Ich habe unglaublich viel Kraft, Mut und Energie für mich selbst aufgebracht. Ich habe gekämpft und nicht aufgegeben. All das, ohne therapeutische Hilfe. Ich habe mir Hilfe gesucht, ich habe Entscheidungen getroffen, ich konnte mich wehren, ich konnte zu meiner Meinung stehen. Ich hatte all meinen Mut zusammen genommen und meinen Gefühlen Ausdruck verliehen. Ich habe Verhaltensweisen nicht hingenommen, nicht totgeschwiegen, um des lieben Familien-Friedens Willen. Nein, ich habe meinen Gedanken und Gefühlen, Worte gegeben und diese offen geäußert. Sie haben bewirkt Verhalten und Prioritäten zu überdenken, zu erkennen wo Veränderung notwendig ist. Meine Worte sind erhört worden und haben positive Veränderungen bewirkt, für die ich sehr dankbar bin.

 

Ich kann wieder schöne Momente, Erinnerungen und Bilder, von meinem Sternenkind sehen und fühlen, seit der Traumaarbeit. Es gibt mehr als diese eine furchtbare Nacht, in der sie ging. Es gibt wunderbare Erinnerungen, die mir ein Lächeln zaubern und die Dankbarkeit, dass ich 2 Jahre mit ihr verbringen durfte.

 

Die Klinik-Zeit meines Mannes und die darauf folgenden Wochen, haben mir viel abverlangt. Sie haben mich gefordert. Ich habe mich auseinander gesetzt, mit dem was war. Auch wenn es nicht viel war, was ich leisten konnte, hat es mich doch bestärkt. Bestärkt für den nächsten, irgendwann kommenden, Krankheitsfall. Ich hoffe, dass dich nicht so heftig emotional und hilflos reagiere, denn dann habe ich ja schon meine Erfahrungen.

 

Der Prostatakrebs war bedrohlich und schrecklich und doch hat er auch Positives bewirkt. Er hat mir/uns sehr deutlich gezeigt, wie schnell das Leben sich wenden kann, wie schnell der Tod an die Tür klopfen kann. Es hat unsere Liebe noch mehr verstärkt und vertieft. Gezeigt wie reich wir miteinander sind. Wir haben uns und wir sind gesund. Das ist unser Reichtum, für den ich sehr dankbar bin. Darüber hinaus ist auch unseren Kindern sehr bewusst geworden, wie wichtig gemeinsame Familienzeit ist. 

 

Im September wurde unser 6. Enkelkind geboren. So sehr gewünscht und so sehr erkämpft. Nun ist sie da und schaut fröhlich in die Welt.

Viele Fotos von ihr, verkürzen uns die Zeit, bis wir sie sehen werden, im Februar 2020. Natürlich habe ich für sie ein großes Weihnachtspaket versendet, mit all den schönen Dingen, die ich sah und kaufte.

 

Eine neue Hiobsbotschaft trifft die ganze Familie noch im November und wirft heftige Fragen auf. Sie treiben und jagen mich. Ich kann nicht schweigen und muss es doch. Erst einmal. Denn totschweigen werde ich es nicht. Trotzdem habe ich auch die letzten Wochen des Jahres, mit ihren großen und kleinen Herausforderungen, geschafft. Es konnte erst Weihnachten werden, als ich meine Gedanken dazu aufgeschrieben hatte, in den ersten Tagen unseres Zingst-Weihnachtsurlaubes. In den letzten Tagen des Jahres konnte ich mir Ruhe gönnen und Seelenzeit am Meer verbringen. Dann war das Jahr vorbei. Ich hoffe es wird eine ruhiges, gesundes, neues Jahr folgen. Mehr braucht es nicht.

 

Bitte liebes Jahr 2020 sei gut zu mir.