Klaras Lebenswelten-Verletzungen der Seele heilen nie. Ich lernte damit zu leben. Sie begleiten mich über die Jahrzehnte meines Lebens. Auch heute noch.

Verletzungen der Seele heilen nie ...

Ich war jung, kaum 20 Jahre, als es begann. Ich war in einer Ehe gefangen, in der ich körperlich und psychisch missbraucht wurde. Meine Familie schaute weg und wollte nicht wissen. Ich habe es geschafft dieser Hölle zu entkommen. Ich habe überlebt. Doch die Monster der Vergangenheit sind noch da. Sie haben mich auf meinen Lebenswegen begleitet und mich geprägt. Noch immer kann ich mich diesen Stück Lebensweg nicht wirklich öffnen, Ich hab gelernt damit zu leben. Doch manchmal werden meine Gefühle getriggert und sie schießen an die Oberfläche.  So wie gerade jetzt, weil ein Missbrauch in meiner heutigen Familie geschehen ist. Geschehen konnte, weil alle weg geschaut haben.

Ich habe früh das Weite gesucht. Weit weg von meinen Eltern, die nie wirklich für mich da waren, mir das Gefühl gaben anders zu sein und immer die Schuldige zu sein. Ich wollte das nicht mehr und flüchtet mich in eine Ehe, die am Anfang auch toll war. Sehr schnell änderte sich das, als wir weit weg waren und das erste Kind schwer krank war. Da zeigte mein Mann sein wahres Gesicht. Niemand sah sein hässliches Gesicht. Nur ich.

Irgendwann erzählte ich meinen Eltern was mir geschah. Wie ich geschlagen wurde, wie er mich behandelte. Ich wollte Hilfe, ich wollte ihr Verständnis und ihr Mitgefühl. Doch weder das eine, noch das andere gaben sie mir.

"Wenn er dich schlägt, bist du doch selbst Schuld...", "warum lässt du dich denn schlagen...", "reize ihn doch nicht immer so...", "wird schon nicht so schlimm sein..." und "eine Ohrfeige hat noch niemandem geschadet", waren Sätze die ich zu hören bekam. Nein, kein Zweifel an seinem Tun. Nur Zweifel an meinem Verhalten. Weil ich so war wie ich war, hatte er allen Grund mich zu schlagen.

 

Lange Zeit glaubte ich ihren Worten. Ich war selbst Schuld. Weil ich mich falsch verhielt, konnte mein Mann so grausam mit mir sein. Ich versuchte alles und noch mehr, meinem Mann zu gefallen, ihm alles Recht zu machen.

Nein, ich konnte nicht nach Hause zurück. Dort wartete mein Vater nur darauf, mir hämisch ins Gesicht zu schauen "hab ich doch gewusst, mit dir kann man es nicht aushalten".

 

Nein, ich konnte es meinem Mann nicht recht machen. Das war unmöglich. Meine Tochter starb, ich unternahm einen Suizidversuch und lebte weiter in der Hölle. Erst als mein Sohn geboren war und auch er keinen Sinneswandel bei meinem Mann erwirkte, schaffte ich es der Hölle zu entfliehen. Von meinen Eltern bekam ich nun zu hören: "Lässt du dich endlich scheiden, wird ja Zeit".

Ich habe es geschafft. Ich habe überlebt.

 

Die Familie hat versagt.

Bis heute sind die Gefühle in mir, die diese Zeit und das Verhalten meiner Eltern, in mir geprägt haben vorhanden. Heute erklärt sich mir manches am Verhalten meiner Eltern (Kriegsgeneration), aber die Gefühle ändern sich nicht. Trotzdem waren sie meine Familie. Trotzdem liebte ich sie. Immer wieder, auf meinen weiteren Lebenswegen, zeigten mir meine Eltern deutlich, dass ich anders war. Ich konnte mich der Häme, dem Sarkasmus meines Vater und der Gleichgültigkeit meiner Mutter kaum entziehen. "... du musstest ja noch ein Kind von dem bekommen...", "der Junge kommt ganz nach dem Vater...", "aus deinen Kindern kann ja nichts werden...".

 

Jeder Mann, musste vor mir gewarnt werden, denn ich war die Schuldige. Selbst als ich meinen jetzigen Mann 2005 kennen lernte, wurde er noch vor mir gewarnt. "Pass auf dass er dir nicht auch weg läuft...", "denke daran, so einen guten Mann findest du nicht noch einmal...". Nein, ich war es nicht wert geliebt zu werden. Ich hatte nur das Glück einen (dummen) Mann gefunden zu haben, der mich nimmt. Das bekam ich jedes Jahr auf Neue, auf meiner Geburtstagskarte geschrieben.

 

 

Die Trennung von der Familie, von der Mutter

Jahre später, nach dem Tod meines Vaters, saßen wir zusammen mit meiner Mutter und sie zeigte uns voller Stolz ein Fotoalbum, dass sie sich jetzt angelegt hatte. "Da sind meine schönsten Erinnerungen drin" sagte sie fröhlich. Ich blätterte in dem Album und ... ?? Fassungslos starrte ich auf die Fotos, die ich dort sah. Es waren die Hochzeitsfotos von meiner ersten Ehe, meiner Hölle auf Erden. Alle.

 

Entsetzt fragte ich sie, was die darin zu suchen haben. Ich konnte es nicht glauben. Doch sie lächelte mich nur an und nahm mir das Album aus der Hand. "Wird schon nicht so schlimm gewesen sein, lebst ja noch..." Das waren ihre letzten Worte an mich. Es war mein letzter Besuch bei ihr. Ich brach den Kontakt ab. Ich konnte sie nicht mehr ertragen. Zwei Jahre später ist sie gestorben. Es tat weh. Sie war nicht mehr da. Doch es war auch erleichternd. Jetzt war ich frei. Jetzt hatte ich keinen Grund mehr um ihre Liebe zu betteln, mich zu verbiegen um ihr zu gefallen.

 

Grausamkeit im Alltag

Es ist grausam, wenn dir niemand vertraut. Du hast das Furchtbare erzählt. Allen Mut zusammen genommen. All deine Angst besiegt. Niemand hörte dir zu. Niemand vertraute dir. Du wirst still und schweigst. Etwas in dir zerbricht und nichts mehr wird wie früher sein.

Es ist grausam, wenn die Hölle der Vergangenheit in mein Leben fällt, dass gerade jetzt so wundervoll ist. Ich habe einen wunderbaren Mann gefunden, der selbst Vater ist, mit Leib und Seele. Für meinen Sohn ein guter Freund ist und seine Kinder in Liebe beschützt.  Ich liebe ihn, auch darum, weil er seine Kinder so liebt, wie ich es selbst niemals erlebt habe.

Es ist grausam schön, wenn mein Mann, mit warm glänzenden Augen, von seiner Kindheit erzählt. Wie er mit Liebe, Zuwendung und Vertrauen aufgezogen wurde. Ein Traum, den ich schon immer träumte.

Es ist grausam, wenn ich mit meinem Mann Zärtlichkeiten austausche und eine Handlung die Dämonen weckt. Ich im Ekel und im Hass der Vergangenheit gefangen bin und meinen Mann nicht mehr ertragen kann.

 

Es ist grausam, wenn ich im Alltag immer wieder getriggert werde. Sei es ein fremder Mann der mir zu Nahe kommt, ein enger Raum, ein Menschengedränge, irgendwas. Ich realisiere das Gefühl, welches gerade über mich herfällt, ist Vergangenheit und doch ist es übermächtig stark.

 

Meine besten Freunde Niemand & Keiner

Ich kann es kaum beschreiben, wie es ist, wenn man durch die Hölle geht, wenn man missbraucht wird und niemand da ist, dem ich mich anvertrauen kann. Ich glaube niemand der so etwas nicht selbst erlebt hat, kann diese unglaubliche innere Leere, diese Ohnmacht, diesen Seelenschmerz, diese Wut gegen sich selbst und die anderen verstehen.

 

Niemand glaubte meinen Worten. Keiner hört mir zu. Niemand nahm mich in den Arm. Keinen interessierte es, wie ich mich fühlte.

Es tut in Herz und Seele weh. Schmerzen die unglaublich sind. Es zerbrach die Welt um mich herum. Ich war allein. Mutterseelen allein, mit dem was ich gerade erlebte. Ich wurde beurteilt und verurteilt! Es wurde schlau über mich gesprochen. Ich war Spott und Sarkasmus ausgesetzt.

Keiner fragte, wie es mir geht. Keiner fragte, ob er mir helfen kann. Keiner hatte Vertrauen in mich. Immer wieder gab ich Vertrauen in die Familie und immer wieder erfuhr ich Schweigen. Es wurde akzeptiert, dass ich missbraucht wurde, körperliche und psychische Gewalt erlebte. Einfach so. Selbst Schuld. Ich kann nicht sagen was schlimmer ist, der Missbrauch an sich oder das Verhalten der Familie zum Opfer. 

 

 

Wunden die nicht heilen

Ich trage das alles, nun schon Jahrzehnte mit mir herum. Es geht nicht weg. Es wird nur besser. Das Leben geht seinen Weg und ich mache das Beste daraus. Auch wenn es für mich selbst und meine Familie nicht gut genug war. Ich habe gegeben, was ich konnte und alles getan, was in meinen Möglichkeiten lag. Nein, mein Kind hätte niemand angefasst. Nicht, wenn ich es hätte verhindern können. Solch eine Tat, denken sich Kinder nicht aus. Es liegt nicht am Vertrauen, dass sie sich oft nicht öffnen. Es ist die Angst davor, selbst zu erzählen, sich selbst dabei zu hören und es fehlt der Mut gegenüber sich selbst und anderen zu bestehen. Es ist die Angst, dass Vertrauen missbraucht wird, weil das was sie erzählen so furchtbar unglaublich ist.

 

Du bist nicht Schuld

Ich habe in vielen Jahren Traumatherapie gelernt, besser damit umzugehen. Verstanden, warum ich meine Eltern trotzdem liebte, ja lieben durfte. Ich habe verstanden, dass der Kontaktabbruch zu meinen Eltern, der einzig richtige Weg war, mit mir selbst wieder leben zu können. Nicht immer wieder neu, von ihnen getriggert zu werden. Ich bin es wert zu lieben und geliebt zu werden!

 

 

Wenn du heute in einer ähnlichen Situation festhängst, verurteile dich nicht dafür. Du bist nicht Schuld. Nimm dir die Zeit die es braucht, dich abzuwenden von der Vergangenheit, dich vom Täter zu trennen und deinen Weg zu gehen. Es kann nur besser werden. Hilfe dafür bekommst du, wenn du dich an einen Psychotherapeuten wendest. Er hilft dir, mit dir Selbst und deinen Erlebnissen leben zu lernen. Ich wünsche dir ganz viel Glück dabei. 

 

Auf ein Wort 

Es kann niemand von dir verlangen, dass du genau das tust, was andere von dir erwarten. Sie haben dich und deine Grenzen zu achten.

Es kann niemand erwarten, dass du den Täter weiterhin in der Familie akzeptierst und dann für andere da bist, wenn es zu spät ist. Wenn sich die Tat wiederholt. Schweigen und Wegsehen sind Akzeptanz! Wer solche Taten akzeptiert, hat dein Vertrauen und deine Liebe nicht verdient.

 

Eine Mutter, die ihrer Tochter den Missbrauch nicht glaubt, den Täter noch schützt, ist keine Mutter. Sie ist ein Monster!