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Klaras Lebenswelten - Die Geschichte vom hebephilen Monster in der Familie - 1. Kapitel - Die eigene Betroffenheit

Die Geschichte vom hebephilen Monster in der Familie

1. Kapitel - Meine eigene Betroffenheit

"Enttäuschung ist nur dort möglich, wo die Täuschung bestanden hat. Deshalb ist die Enttäuschung immer, so schmerzlich sie auch sein mag, ein Schritt der Wahrheit entgegen, eine wertvolle Befreiung von Irrtum und Illusion!" (Zitat)

Dieses Zitat erinnert mich an alt Bekanntes (Erlerntes) und gibt mir Ruhe, inner Ruhe. Im Unglück das über mich hereinbricht, kann auch immer eine Chance liegen. Manchmal tut die Wahrheit weh. Das ist so. Das kann ich nicht ändern. Doch die Wahrheit schafft auch immer Klarheit. Ich weiß wo ich stehe bzw. wo mich andere Menschen sehen. Der Kindesmissbrauch, insbesondere wie wir in der Familie miteinander umgegangen sind bzw. mit uns umgegangen wurde, hat das knallhart bestätigt.

Ich bin selbst nicht von sexuellem Kindesmissbrauch, aber in anderer Weise von Missbrauch betroffen. In meiner Geschichte geht es nicht um den hebephilen Kindesmissbrauch an sich, sondern um die Folgen, das Handeln und den Umgang mit dem Thema bzw. der Familienmitglieder untereinander. Ich kann aus der eigenen Betroffenheit schreiben und handeln, weil sich die Gefühle die ein Opfer hat, die Bedürfnisse und teilweise auch die daraus folgenden Handlungsweisen, sehr ähnlich sind. Das hat nichts damit zu tun, dass ich in meinen "unaufgearbeiteten Lebensproblemen gefangen bin". Auf Grund meiner Erfahrungen, kann ich weiter sehen und fühlen, als es Menschen tun können, die selbst nie in eine solche traumatische Bedrängnis gekommen sind. Menschen, die nicht da waren, wissen nicht wie es ist. Ich kann helfen zu verstehen, Zusammenhänge aufzeigen und nachfragen, auch wenn das nicht jedem gefällt.

 

Ich habe die ersten Erfahrungen als Kind gesammelt. Als Kind, das nie etwas richtig machen konnte, immer Schuld war und liebevolle Worte oder Verständnis der Eltern unmöglich waren. Ich habe sehr jung geheiratet, in der Liebe mein Glück gesucht und nicht gefunden. Gefunden habe ich psychischen, körperlichen und sexuellen Missbrauch in der Ehe. Eine Ehe die ich vier Jahre lang aushielt, weil ich nicht zurück nach Hause und die sarkastischen und hämischen Worte meines Vaters "du bist in einem halben Jahr geschieden" wahr machen wollte. Danach folgte eine Beziehung in der ich wiederholtem psychischen Missbrauch ausgesetzt war. Diese konnte ich zeitig genug beenden, bevor andere Gewalt hinzukommen, konnte. Nach der Wende kamen Mobbing und Bossing, über viele Jahre, dazu.

 

Nun lebe ich schon fast ein Jahrzehnt mit Depression und Posttraumatischer Belastungsstörung sowie anderen Nebendiagnosen. Ich habe viele Erfahrungen und Erkenntnisse gesammelt in unterschiedlichen Psychotherapien und während verschiedener Klinikaufenthalte. Ich weiß was Psychotherapie und Trauma-Bearbeitung bewirken kann, wie heilsam sie für die Seele ist. Ich lernte Verantwortung für mich selbst zu übernehmen. Musste begreifen, dass der Psychotherapeut mir nicht sagt, was ich denken und tun soll. Das ich selbst meine Gedanken und mein Tun steuern konnte und sollte, eigene Gedanken haben durfte. Ich durfte auch erfahren, wie es ist, wenn ich Ballast abwerfen kann, der Druck vom "Seelenrucksack" nicht mehr meinen Rücken beugt.

Ich traf auch andere Betroffene/Kindesmissbrauchsopfer, mit ihren Beeinträchtigungen und psychischen Langzeitstörungen.  Ich weiß also genau wovon ich spreche.

 

Ich habe meinen Eltern niemals im Detail erzählt, was damals passiert ist. Ich konnte es nicht. Sie hätte mir sowieso nicht geglaubt, die Vorkommnisse beschönigt oder mir selbst dafür die Schuld zugeschrieben. Selbst wenn ich ihnen vertraut hätte, bei ihnen Halt gefunden hätte, wären sie die Letzten gewesen, denen ich es erzählt hätte. Bis heute kann ich nicht wirklich darüber reden. Worüber ich aber sehr gut reden kann, ist wie ich mich gefühlt habe, wenn sie über mich gesprochen haben, wenn sie mich beurteilt und verurteilt haben und mir das was ich erzählte nicht glaubten bzw. mir die Schuld dafür gaben. Wie schlimm es war, wenn ich etwas erzählte, die Ablehnung und die Schuldzuweisungen zu erfahren, die Ignoranz und den Sarkasmus zu erleben. Dabei zu sein, wenn man in "schönen" Erinnerungen schwelgte. Ich war missbraucht und misshandelt worden, von einem Mann und doch hatten sie "schöne" Erinnerungen an ihn. Gruselig.

 

Ich kann meine Gedanken aufschreiben, aber nicht aussprechen bzw. einem Konflikt-Gespräch standhalten. Aus diesem Grund rede ich, in dem ich schreibe. So habe ich es auch in meinen Kontakten mit unseren Kindern, in diesem fürchterlichen Missbrauchsthema getan.

Ich konnte das ungeheuerliche Schweigen nicht ertragen. Ich wollte es nicht ertragen. Ich konnte nicht verstehen, wie man sich gegenüber dem 1.Opfer, unserer Tochter, verhielt und was man von ihr einforderte bzw. erwartete. Es waren 2 Opfer in der Familie, auch wenn eines inzwischen erwachsen ist. Opfer ist Opfer und hebephiler Missbrauch bleibt hebephiler Missbrauch in der Kindheit. 

 

Ich habe das Schweigen gebrochen, klar und deutlich meine Betroffenheit kenntlich gemacht, mein Unverständnis wie Verständnis geäußert und beständig darauf geachtet, keine Vorwürfe und Schuldzuweisungen auszusprechen. Ich habe unseren Kindern meine Gedanken, Gefühle und Sichtweisen mitgeteilt. Klar und authentisch. Das hat nicht jedem gefallen und unschöne Reaktionen bewirkt. Doch was zählt ist, ich habe die Verantwortung für mich und mein Tun, im Rahmen dessen, was zum Zeitpunkt X objektiv möglich ist, übernommen. Das müssen andere erst einmal leisten.  

 

Ich glaube diese Geschichte, so wie sie mir und der Familie widerfahren ist, ist keine Seltenheit. Vielleicht wiederholt sie sich gerade jetzt schon wieder.


Hilfetelefon Sexueller Missbrauch: 0800-22 55 530 (kostenfrei & anonym)

Kinder- und Jugend- NOT-TELEFON: 116 111 ("Nummer gegen Kummer")

oder Kummertelefon des Kinderschutzbundes: 0800 1110333 von Mo-Sa 14 bis 20 Uhr


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Kommentare: 1
  • #1

    Helga (Freitag, 28 Februar 2020 03:53)

    Du hast alles richtig gemacht. Wer mit der Wahrheit nicht umgehen kann, der hat mit sich ein Problem. Die Täter sind in den meisten Fällen selbst Opfer gewesen. Wenn man diesen Kreislauf nicht durchbricht, wird sich nichts ändern. Erst wenn man etwas benennt, kann man es erfassen und somit die Heilung einsetzen.